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Erfahren Sie mehr über den Präsidenten von IDEA Nepal Amar Timalsina

Herr Timalsina, was ist das Besondere an IDEA?
IDEA ist eine Organisation von Leprabetroffenen für Leprabetroffene. Alle Leitungspositionen bei IDEA Nepal werden von Menschen übernommen, die am eigenen Leib das Leid von Krankheit und Diskriminierung erfahren haben. Das macht natürlich einen gewaltigen Unterschied! Außerdem ist IDEA Nepal eine Netzwerkorganisation, die mittlerweile in allen sieben Bundesstaaten Nepals (Districts) Vertreter hat. Das können andere Lepra- Organisationen bisher nicht vorweisen.

Wie sind Sie persönlich zu IDEA gekommen?
Meine eigene Geschichte ist wie die meisten Lepra-Biographien von Schmerz geprägt. IDEA wurde 1998 gegründet. Als ich an Lepra erkrankte, gab es das Netzwerk noch nicht. Ich bin 1977 in einem kleinen Dorf in der weit entlegenen Region Kavrepalanchowk zur Welt gekommen. Als ich mit etwa zehn Jahren erkrankte, wussten weder meine Eltern noch ich, was Lepra ist. Ich wurde zum Schamanen geschickt, der viele verschiedene Methoden an mir praktizierte, die aber alle nicht halfen.  Erst 1989 wurde ich schließlich von einem Arzt mit Lepra diagnostiziert. Ab diesem Zeitpunkt wurde ich massiv von Nachbarn gehasst und geächtet – eine schreckliche Zeit für mich. Mein Lehrer verweigerte mir den weiteren Schulbesuch und benotete mich, auch wenn ich nicht da war. Erst freute ich mich, nicht in die Schule zu müssen, aber dann wurde mir bewusst, dass ich dort nicht erwünscht war und spürte, was Diskriminierung bedeutet.
Nach meiner Diagnose musste ich nahezu 40x ins Lepra-Krankenhaus Anandaban eingewiesen werden. Denn trotz der Heilung hatte ich eine bei Lepraerkrankungen recht häufige Autoimmunreaktion. Mein Körper kämpfte gegen die toten Bakterien im Körper einfach weiter an. Die Folge waren schwere Reaktionen, so als wenn ich noch immer infektiös sei. Eines Tages wurde Dr. Wim, der damalige medizinische Direktor des Anandaban Krankenhauses, auf mich aufmerksam und fragte, ob ich daran interessiert sei, die Schule zu besuchen. Ich sagte sofort ja und so schrieb er mir ein Empfehlungsschreiben für das St. Xavier’s Social Service Centre. Dies war ein Kinderheim und ich erhielt eine Schulausbildung. Später machte ich einen Bachelor an der Tribhuvan University und einen Master an der Pokhara University, Nepal. Ich wurde Lehrer und Direktor. Ich gründete dann sogar meine eigene Schule, die ich noch heute leite. Im Jahr 2000 lernte ich IDEA Nepal kennen. Ich begann, mich ehrenamtlich zu engagieren, wurde Generalsekretär der Organisation und bin nun seit einigen Jahren Präsident. In dieser Rolle sehe ich es als meine persönliche Aufgabe, die schmerzhaften Lebensläufe Leprabetroffener in Nepal ein für alle Mal zu beenden.

Was sind die Arbeitsschwerpunkte von IDEA?
Die Organisation sieht sich als Anwalt für die Interessen der Betroffenen. Bisher fokussieren wir uns vor allem darauf, Stigmatisierung in Gesellschaft und Politik abzubauen. Außerdem zielt unsere Arbeit darauf ab, die ökonomische Situation der Betroffenen zu verbessern und deren Bildungsgrad zu erhöhen.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Probleme in Bezug auf Lepra?
Drei Probleme sehe ich als zentral: mangelnde Würde und Selbstvertrauen, sowie Armut und geringer Bildungsstandard der Betroffenen. Diese drei Aspekte müssen die Grundpfeiler auf dem Weg in eine leprafreie Zukunft sein.

Warum werden Leprabetroffene noch immer so stark stigmatisiert?
Diese Frage sollte man nicht mystifizieren. Aus meiner Sicht werden Leprabetroffene auch heute noch stigmatisiert und diskriminiert, weil sie meist in erbärmlichen Lebensverhältnissen leben, kein Selbstwertgefühl haben und häufig Analphabeten sind. Natürlich ist das Verhalten der Gesellschaft fragwürdig, aber ich bin der festen Überzeugung, dass es in erster Linie die Notlage der Betroffenen selbst ist, die sie zu Aussätzigen macht.

Wie kann die Stigmatisierung bekämpft werden?
Es gibt aus meiner Sicht drei Drehschrauben zur Lösung:
a) Der rechtliche Rahmen muss „menschenfreundlich“ gestaltet werden.
b) Die Betroffenen müssen sich in einer besseren wirtschaftlichen Lage befinden. c) Der Bildungsgrad der Betroffenen muss erhöht werden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es ohne diese drei Dinge nicht gehen wird.

Wie kann der Kampf gegen Lepra weltweit gewonnen werden?
Ich denke die Organisationen müssen noch besser als bisher kooperieren. Natürlich gibt es Partnerschaften, aber die Frage ist: Sind wir uns über die Ursachen und Probleme einig? Helfen wir den Betroffenen dabei, ihre finanzielle Situation zu verbessern, Bildung zu erlangen und ein neues Selbstwertgefühl aufzubauen? Nochmal: Wir müssen uns auf diese drei Aspekte fokussieren!

Was sind Ihre Ziele für IDEA und für Sie persönlich?
Ich möchte, dass IDEA Nepal jedem leprabetroffenen Menschen in ganz Nepal dabei hilft, seine wirtschaftliche Situation zu verbessern, den Bildungsstand zu erhöhen und neues Selbstwertgefühl aufzubauen – kurz: das Leben zum Guten verändern.  Ich möchte außerdem, dass IDEA daran arbeitet, dass alle lepradiskriminierenden Gesetze in Nepal aufgehoben werden. Ganz persönlich möchte ich daran mitwirken, in dem ich keinen anderen Menschen diskriminiere und somit bei mir selbst anfange.

Vielen Dank an Amar Timalsina für die offenen Worte!